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Eine junge Frau mit Brille in einer Werkstatt

Sie hat noch viel vor

„Ich hab‘ die Matura nicht abgeschlossen, ich hab‘ zwar die Prüfungen geschrieben, aber die Vorwissenschaftliche Arbeit nicht abgegeben“, erklärt Anastasia D. ihre Ausgangssituation. Die letzten Schuljahre waren coronabedingt sehr herausfordernd gewesen. „Ich hab‘ 2021 maturiert. Wir waren halt nicht mehr wirklich in der Schule, auch nicht das Jahr davor. Es gab viel Distance Learning, sonst keinen Kontakt“, schildert sie die belastende Situation. „Das war einfach eine schwierige Ausgangslage für viele junge Menschen“, pflichtet ihr sprungbrett-Beraterin Renate Zingerle bei. „Das merken wir schon auch in der Beratung. Das wird bestimmt noch die nächsten Jahre so sein.“ Für Anastasia wirkte sich das unter anderem so aus, dass sie aufgrund der fehlenden Vorwissenschaftlichen Arbeit kein Maturazeugnis vorweisen konnte.

Um sich über ihre Wünsche und Ziele klar zu werden, arbeitete die junge Frau zunächst im Lager eines Online-Supermarkts. „Am Anfang war ich wirklich komplett planlos und hab‘ mich auch bei mehreren Lehrstellen beworben, die eigentlich miteinander nicht viel zu tun hatten“, erinnert sich Anastasia. Nach einem halben Jahr endete das Dienstverhältnis und ihr fehlte immer noch die Orientierung. Durch einen AMS-Kurs kam sie schließlich zum Verein sprungbrett.

Eine junge Frau in T-Shirt und Jeansjacke mit Brille und zurückgebundenen langen Haaren.

Hier gab es neben wöchentlichen Beratungsgesprächen viel Gelegenheit, Zukunftspläne zu schmieden und auf ihre Umsetzbarkeit abzuchecken. Im Projekt YoungFiT wurde Anastasia auf Bewerbungsgespräche vorbereitet und erhielt Unterstützung bei der Erstellung und Aktualisierung ihrer Bewerbungsunterlagen. Zusätzlich konnte sie bei einer der vielen Exkursionen einen Schnuppertag bei der Firma Henkel verbringen, der dann zur Weichenstellung Richtung neues Berufsziel führte – im Praktikum entdeckte sie ihre Neigung zur Chemie. „Man hat mir gesagt, dass sie sich das gut für mich vorstellen könnten. Und es hat auch dazu gepasst, was ich machen wollte. Und so sind wir eben auf Labortechnik gekommen“, fasst Anastasia zusammen.

Also bewarb sie sich auf verschiedenste Lehrstellen in diesem Bereich. Dazwischen gab es immer wieder Beratungstermine, um die nächsten Schritte zu planen, und Unterstützung bei der Optimierung der Motivationsschreiben. Zur Vorbereitung auf mögliche Aufnahmetests absolvierte Anastasia einen Kurs, in dem verschiedenste Schulfächer wie Mathematik oder Chemie wiederholt und die Kenntnisse aufgefrischt wurden – das war für sie ebenso hilfreich wie viele Gespräche, in denen es „nicht nur um den Job ging, sondern auch, was man persönlich gerade braucht und wo man sich schwertut“.

Eine junge Frau in T-Shirt und Jeansjacke mit Brille und zurückgebundenen Haaren und eine Frau mit Kiurzhaarschnitt, Brille und Halskette lächeln in die Kamera.
Die Beratung durch Renate Zingerle und sprungbrett zeigte Anastasia D. den Weg in eine zukunftssichere Ausbildung.

Und dann war endlich eine Lehrstelle in Aussicht, für die es sich lohnte zu kämpfen! Und kämpfen musste Anastasia, denn der harte Auswahlprozess umfasste mehrere Runden, zog sich von Dezember 2022 bis Mai 2023. Labor-Schnuppertagen folgte ein Vorstellungsgespräch, dann ein zweites, zwei Online-Tests: „Da wirklich die Motivation zu halten, das war auch für uns Arbeit in den Beratungsgesprächen“, erinnert sich Renate Zingerle. Doch Anastasia hielt durch, resignierte nicht, blieb am Ball bis die erlösende Zusage zur Lehrausbildung kam. „Der Lehrberuf ist Labortechniker*in. Da gibt es die drei Zweige Biochemie, Chemie und Lack- und Anstrichtechnik. Ich hab‘ den Zweig Chemie gewählt“, erzählt die Zwanzigjährige zufrieden, glücklich, dass die Zeit der Unsicherheit, des Bangens und Wartens ein Ende hat und sie endlich weiß, in welche Richtung es für sie beruflich weitergeht.

Auch Renate Zingerle ist froh, dass ihre Klientin eine Lehrstelle mit besten Zukunftsaussichten gefunden hat und lässt noch einmal die konstruktive und angenehme Beratungszeit Revue passieren: „Anastasia war von Anfang an immer sehr offen, auch über private Dinge zu sprechen, Probleme, die sie hatte, einfach zu benennen. Das ist nicht immer selbstverständlich, hilft aber im Beratungsprozess ungemein.“

Technikberufe bieten tolle Chancen für Frauen

Bei sprungbrett sind alle Menschen willkommen, die sich weiblich definieren, und sich beispielsweise nicht ganz sicher sind, in welche Berufsrichtung es gehen soll. „Wir nehmen uns Zeit zu schauen, welche Stärken sie haben“, erläutert Zingerle. „Man kann bei uns in den Workshops ausprobieren, ob einem das Handwerklich-Technische liegt. Wenn das nicht der Fall ist, unterstützen wir genauso.“ Dabei geht es nicht nur um die Lehrstellensuche, auch andere Ausbildungswege werden unterstützt – und die Berater*innen sind immer ganz klar auf der Seite der jungen Frauen, wenn es Widrigkeiten jeglicher Art gibt: zum Beispiel bei Gegenwind aus den Familien, wenn es heißt „das ist kein Beruf für Frauen“. Dabei bieten gerade Technikberufe, in denen der Frauenanteil traditionell sehr gering ist, wie neue Technologien, IT und ähnliches besonders gute Chancen. „Das sind einfach super Branchen, wo man gut verdienen kann und sich ein gutes Leben aufbauen kann. Und das soll Frauen auch möglich sein, das ist unser Grundanliegen“, so Renate Zingerle.

Viele junge Menschen, die noch unentschlossen sind, wohin der berufliche Weg gehen könnte, haben diese Zukunftsbranchen noch gar nicht in Erwägung gezogen, werden erst über das FiT-Programm aufmerksam auf die große Bandbreite an Berufsbildern: von Augenoptik über Zahntechnik bis Kfz-Mechanikerin, Elektrotechnik oder eben Labortechnik, wie bei Anastasia. Die junge Frau hat sich übrigens, angeregt durch ihre Zeit bei sprungbrett, dazu entschlossen, die Matura fertig zu machen, ihre Vorwissenschaftliche Arbeit einzureichen und auch dieses Kapitel in ihrem Leben erfolgreich abzuschließen. So ist Anastasia bereit für eine zukunftssichere Ausbildung mit vielen neuen Erfahrungen und Chancen.

Anastasia D. wurde beim arbeit plus Wien-Mitglied Verein sprungbrett beraten und macht eine Lehre zur Labortechniker*in.

„Man wird auf den Beruf vorbereitet und zuerst einmal auf Bewerbungsgespräche.“
Anastasia D.

„Wir versuchen, die Offenheit für handwerkliche, technische Berufe zu erhöhen.“
Renate Zingerle, Verein sprungbrett